Samstag, 8. Oktober 2016

Palermo 1-2

Es stellt sich heraus, dass die Tage so voll sind, oder der Wettbewerb um den Tagespunkt zwischen uns so hart und das Internet in Palermo so schwach, dass ich gezwungen bin, die letzten vier Tage in einem Post zusammen zu fassen. Es könnte allerdings auch nur reiner Selbsterhaltungstrieb sein, während der Autofahren zu schreiben, denn der Verkehr und die Straßenmoral der Palermiten ist nichts für meine schwachen Nerven und mein zartes Herz. Bereits nach 3 Minuten hätte ich mir, dürfte ich ans Steuer, meine Lungen mit wüsten Beschimpfungen aus dem Leib gebrüllt, wäre schweißgebadet und am Rande eines Nervenzusammenbruches. Nicht so der versierte Chef de Mission. Der bringt es fertig, während ihm jemand die Vorfahrt schneidet, von hinten wild gehupt und auf einer 2m-breiten Straße ein LKW entgegenkommt, von der herrlichen Landschaft zu schwärmen. Das nähert meinen Verdacht, dass er nur von einem Raumschiff zufällig im Eichsfeld ausgesetzt wurde.

Irgendwann war es ja Zeit, das Paradieschen zu verlassen.  Und die Insel wusste schon, warum es mit den schweren Koffern zu Hafen nur bergab ging: Masse mal Beschleunigung war schon notwendig, um sich von der lieblichen Insel losreißen zu können und die Fähre pünktlich zu erreichen. Aber es sollte weiter nach Palermo gehen. So stand es in der DoRM geschrieben. So musste es sein.  
Nach den wundervollen Tagen auf dem Inselchen, hatten wir doch etwas Sorge, dass wir uns im bunten Treiben der Inselhauptstadt ADS, oder sogar ADHS holen würden. Aber es half nix, die DoRM hatte gesprochen und mit jedem Meter von der Insel weg auch wieder ihre volle Macht gewonnen. 



Auf dem Weg lag noch ein geplanter Stop in Cefalu. Ein wunderbares Städtchen am Meer mit prima Eis und einem wunderschönen normannischen Dom, in dem sich Altes und Modernes auf großartige Weise miteinander verbunden haben.



Dann ging es weiter nach Palermo. Unser erster AirBnB-Stopp. Besonders der CdM freute sich darauf, da endlich ein echter Herd (mit Gas!) in Aussicht stand. Ein verwirrend hektischer Gastgeber Rogereo, knallte uns in 10 Minuten mit einer Standarte von allgemeinen und speziellen Informationen zur Wohnung, Stadtgeschichte, Einkaufs- und Restaurantempfehlungen  voll, von denen wir nur ca. 30 % verstanden. Es muss ein spezielles parlamentinisches Englisch gewesen sein. Aber die DoRM sah ohnehin schon eine Menge eigener Dinge vor, so das ein Nachfragen besser zu vermeiden war, wenn man nicht der Gefahr diverser PlusProgrammpunkten ausgesetzt werden wollte.  An manchen Stellen zahlt sich eben doch ein Jahr in den USA aus. Auch wenn es nur darum geht, als des Englischen besser Kundige vermutet zu werden. Dann braucht es nur noch einer Prise Kaltschnäuzigkeit um zu sagen: „Hat eigentlich nur das gesagt, was schon in der Mappe steht! Und das ein guter Bäcker um die Ecke ist.“

Noch schnell durch das dunkle Palermo in den Supermarkt. Naja, schnell hin und zurück, ja. Drinnen waren wir dann natürlich schon etwas länger. So ca. 60 Minuten. Dann gab es endlich mal ein anständiges Essen: Nudeln mit Tomatensoße. Und Käse. Lecker.

Am nächsten Morgen dann mit frischen Brötchen vom besagtem Bäcker ordentlich gefrühstückt, dann hinein in die Stadt! Nach genau zwei Ecken Wolkenbruch. Ach was sage ich, quasi Sintflut. Schutzsuchend fanden wir uns in einem alten Palazzo wieder. Er beherbergte bedeutende Kunst des 12.-14. Jahrhunderts. Niemals wären wir da ohne Sintflut hineingegangen. Ich bin ja ausgeprägter Fatalist, darum glaube ich ja keine Sekunde daran, dass der Regen gerade zu dieser Zeit, gerade in dieser Heftigkeit auf uns niederfiel. Wir sollten da rein. Und es war wunderschön. Jede Menge Madonnen, aber auch einige bezaubernde Büsten ohne biblischen Hintergrund. Wir stiefelten alle Etagen bis unters Dach ehrfürchtig ab. Der Regen hatte schon lange aufgehört, als wir wieder draußen in den Gassen waren.

Jetzt solle es aber ziemlich direkt zum Normannenpalast gehen. Aber zuvor war es schon wieder Zeit, etwas zu essen. Kurzer Abstecher in den Hafen. Der Reiseführer und auch Rogero hatten von Panne é irgendwas geschwärmt. Ein Kreuzchen auf unserem Stadtplan führte uns direkt zu dem, der was auch immer hinter dem é war, in der ganzen Stadt am allerbesten herstellen konnte. Es war recht leicht zu finden, sah aber etwas seltsam aus: Brötchen und dann hatten die Herren hinter der Theke einen großen Kessel vor sich, in dem sich sowas wie geschnittene Nierchen stapelten. Das wurde dann mit einer Schöpfkelle herausgehoben und im Brötchen platziert. Mehrere Schichten und dann kam die Brötchenoberhälfte wieder drauf. Zack fertig. Schmeckte nicht schlecht und erinnerte irgendwie an Schlachtetag. Wie sich dann herausstellte war es Milz im Brötchen.

So, jetzt aber ohne weitere Verzögerung zum Normannendom. Hätte auch funktioniert, wären wir nicht falsch abgebogen und mitten im Vucciriamarkt gelandet mit jeder Menge Fischhändlern und dazugehörigen Garküchen rechts und links des Weges. Mussten wir uns dann auch noch ein wenig durchfuttern. 
Am fortgeschrittenen Nachmittag kamen wir dann endlich am Normannenpalast an. Audioguide wollte sie uns an der Kasse nicht geben. So fing alles an.  Na, dann eben ohne in den Palast. Am Eingang Hochsicherheitskontrolle. Der CdM muss natürlich in Funktion als Major Reiseleiter ein Taschenmesser mitführen. Aber nicht mit den Herren und Damen der Palastwache: "Abgeben, Froindchen!" Ok. Noch kein Grund auszuflippen. 

Ab in die heiligen Hallen der Capella Palatina, ein wirkliches Schmuckkästchen von Schlosskapelle. Ganz und gar aus Gold und mit Fresko-Comic und einer Decke, die wie ein Zelt aussieht. Doch kaum da: „Avanti, avanti! Machen Sie mal hin! Wir schließen gleich!“ – Wir waren ja spät, aber so spät ja nun auch nicht. Aha, ne Hochzeit. Mann,  Mann, bestimmt so ein Mafiabonze!  Jetzt setzte bei mir schon so eine leichte guerillamäßige Che-Guevara- Stimmung ein. Und es brauchte nur noch eines weiteren kleinen Anstoßes von Seiten der Palastamazonen, um den El Commandante in mir wach zu rufen. „No Foto!“ und ein „Avanti!“ später war es so weit. Sie hatten es nichts anders gewollt! Streckte ich meinen Fuß also immer unter alle roten Absperrseile hindurch. Verboten – erlaubt – Verboten – erlaubt! Ha! Da habt ihr echt was zu tun!  Ich: Voll Che eben!

Danach erst einmal ein Bier. Durch die armen Viertel der Stadt, die den CdM voller Dankbarkeit erfüllte, für das, wir einfach so haben. Und Recht hat er.  Auf dem Heimweg haben wir uns dann auf einem weiteren Markt mit Tomaten und Birnen eingedeckt und sind dann ziemlich schnell ins Bett gefallen. 

Am nächsten Morgen ging es – weil wir beim Regen ja ein Kombi-Ticket erstanden hatten- in einen echten Stadtpalast und sahen uns an, wie man da so drin gelebt hat. Entgegen der muffelig-aggressiven gestrigen Wachen im Normannenpalast, hatten wir hier einen absolut freundlichen Museumswärter erwischt. Er wies uns sehr nett darauf hin, dass wir das hauseigene Puppentheater übersehen hatten und holte uns 5 Räume später hinter die roten Absperrseile und zeigte uns eine versteckte Geheimtür. Wunderbar!

 Dann ging es weiter zur Kathedrale. Dies sieht von außen sehr schön aus, von Innen leider nicht mehr so sehr. Eigentlich gar nicht. Blieb noch Zeit, um durch die Gassen zur Oper zu schlendern. Hier fanden wir die größte Ansammlung jugendlicher Grufties, die ich je gesehen hatte. Oder es ist die neue Mode unter Jugendlichen. Die Sonne senkte sich langsam, also weiter durch die Gassen. Am archäologischen Museum hatten wir Glück. Wollten wir nur einen kleinen Blick in den Innenhof werfen und bekamen für die letzte Stunde vor der Schließung Freikarten in die Hand gedrückt. Na für „na nüscht“ schauten wir uns das Ganze sehr gern an. Es war spannend und ein kleiner Vorgriff auf das, was uns in den kommenden Tagen an der Westküste erwartet: Tempel, Tempel, Tempel. Und alle kaputt! Wir waren mit den parlermitischen Museumswärtern ausgesöhnt.

So, an dieser Stelle muss ich unterbrechen. Wir fahren seit 30 Minuten die Serpentinen des Todes bergauf nach Erice. Mir ist schrecklich übel. Darum später mehr.

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