Mittwoch, 12. Oktober 2016

Kein Stein mehr auf dem anderen


Immer wenn man sich einigermaßen an ein Bett gewöhnt hat, heißt es: Koffer zu, weiter auf der Piste! Nach einem netten Frühstück mit allen Pensionsgästen an einem Tisch packten wir alles zusammen, beluden unseren Kleinen Franz (Fiat 500) und machten uns auf die staubigen Straßen noch weiter nach Westen. Dann bogen wir leicht nach Süden ab. Nach einem Stopp an einem Straßencafé erreichten wir nach kurzer Fahrt Selinunte. Auf dem Parkplatz erwischte ich den CdM eiskalt. Heute war der Tag gekommen, an dem ich meine ultimative Geheimwaffe zum Einsatz bringen konnte: Der Selfie-Stick. Peinlicher geht es nicht! Die Zeit der alten Steine konnte beginnen. Selbstverständlich begleitet von mächtigem Kopfschütteln. Ich bin es ja schon gewohnt, den CdM bei Erkundungen immer von hinten zu sehen. Er stürmt immer mit wehenden Fahnen voran. Dieses mal schien mir, dass da ein gewisser Verdrängungswunsch a lá: „Wen meinen Sie? Die Frau dort hinten? Kenn ich nicht! Noch nie gesehen!“



Aber am Ende siegte seine Neugierde. Und da ich die Wissensträger in der Tasche hatte, musste er sich wohl oder übel irgendwann zu mir und dem Selfiestick bekennen. Aber er behielt beflissen die Sonnenbrille auf. Wir mussten uns richtig ins Zeug werfen und im ganzen Internet recherchieren, um das mit den Griechen und Phöniziern und dem ganzen Ärger zu verstehen. Kurz gesagt, Sizilien wollte jeder mal haben und vor ganz schön langer Zeit (vor ca. 2500 Jahre) stritten sich die Griechen und Phönizier. Und immer, wenn einer dem anderen eine mitgegeben hatte, wurden Tempel und Städte gebaut. Die wurden dann wieder einige Zeit später von dem jeweils anderen wieder nach der nächsten Schlacht wieder plattgemacht und etwas Eigenes gebaut. Auf diese Weise entstanden zeitweise sehr reiche Städte mit jeder Menge Tempel. Aber gepaart mit dem Aufbauen, Erobern, Abreißen und dann wieder von vorn und noch dem einen oder anderem Erdbeben sind letztendlich nur gigantische Felder einzelner Steine geblieben. Lego für Riesen.


Später haben sich dann wiederum Leute gefunden, die mit den Steinen wirklich etwas anfangen konnten und es fertigbrachten, dass eine oder andere wieder zu aufzurichten. Daraufhin kamen wiederum andere, die daran rummeckern. „Nicht authentisch! Falsche Steine genommen“ und so weiter. Uns war das ziemlich egal. Sowohl die unendlichen Trümmerfelder, als auch die wiedererrichteten Teile faszinierten uns. Wir spazierten bei heißen Temperaturen, aber mit erfrischendem Meerwind stundenlang durch das Areal. Tempel A-G, alles sahen wir uns an.






Danach ging es für ein Mittagsschläfchen an den Strand. Ausgeruht entschlossen wir uns, da der Selfie-Stick ja nun mal in der Welt war, ein Foto zu machen, dass die Zuhausegebliebenen so richtig neidisch machen würde. Gesagt, getan.

Dieses Foto darf unter Androhung einer Unterlassungsklage weder in Deutschland noch in einem anderen Teil der Welt gezeigt werden.

Schön. Das haut hin.

Dann also weiter nach Sciacca (ausgesprochen: Schacka! – Herrlich, meine Stadt!). Dort stiefelten wir noch etwas herum. Auf der Piazza standen riesige Gummibäume. In denen saßen tausende Spatzen und machten einen unglaublichen Lärm. Noch ein Kaffee und ein Wein und dazu ein wunderschöner Sonnenuntergang. Dann mussten wir weiter. Unser Tagesziel Agrigento, genauer San Leone, wo unsere Pension war.



Im Dunklen kamen wir an und fanden uns in einer Art Neubauwohnung wieder, in der eine Wohnung zu einer Minipension mit 3 Zimmern umgebaut war. Seltsam, aber wir wurden sehr nett empfangen und bekamen in radebrechenden Englisch und mit Händen und Füßen eine Restaurantempfehlung, die wir auch gleich ausprobierten. Fisch in allen Variationen. Lecker. Gestärkt gingen wir ins Bett. Denn die Steinzeit war noch nicht ausgestanden, sondern sollte am kommenden Tag im Tal der Tempel seinen Höhepunkt finden. Darum besser schnell die Augen zu.

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