Es stellt sich heraus, dass die Tage so voll sind, oder der
Wettbewerb um den Tagespunkt zwischen uns so hart und das Internet in Palermo
so schwach, dass ich gezwungen bin, die letzten vier Tage in einem Post
zusammen zu fassen. Es könnte allerdings auch nur reiner Selbsterhaltungstrieb
sein, während der Autofahren zu schreiben, denn der Verkehr und die
Straßenmoral der Palermiten ist nichts für meine schwachen Nerven und mein
zartes Herz. Bereits nach 3 Minuten hätte ich mir, dürfte ich ans Steuer, meine
Lungen mit wüsten Beschimpfungen aus dem Leib gebrüllt, wäre schweißgebadet und
am Rande eines Nervenzusammenbruches. Nicht so der versierte Chef de Mission.
Der bringt es fertig, während ihm jemand die Vorfahrt schneidet, von hinten
wild gehupt und auf einer 2m-breiten Straße ein LKW entgegenkommt, von der
herrlichen Landschaft zu schwärmen. Das nähert meinen Verdacht, dass er nur von
einem Raumschiff zufällig im Eichsfeld ausgesetzt wurde.
Irgendwann war es ja Zeit, das Paradieschen zu
verlassen. Und die Insel wusste schon,
warum es mit den schweren Koffern zu Hafen nur bergab ging: Masse mal
Beschleunigung war schon notwendig, um sich von der lieblichen Insel losreißen
zu können und die Fähre pünktlich zu erreichen. Aber es sollte weiter nach
Palermo gehen. So stand es in der DoRM geschrieben. So musste es sein.
Nach den wundervollen Tagen auf dem
Inselchen, hatten wir doch etwas Sorge, dass wir uns im bunten Treiben der
Inselhauptstadt ADS, oder sogar ADHS holen würden. Aber es half nix, die DoRM
hatte gesprochen und mit jedem Meter von der Insel weg auch wieder ihre volle
Macht gewonnen.
Auf dem Weg lag noch ein geplanter Stop in Cefalu. Ein
wunderbares Städtchen am Meer mit prima Eis und einem wunderschönen
normannischen Dom, in dem sich Altes und Modernes auf großartige Weise
miteinander verbunden haben.
Dann ging es weiter nach Palermo. Unser erster
AirBnB-Stopp. Besonders der CdM freute sich darauf, da endlich ein echter
Herd (mit Gas!) in Aussicht stand. Ein verwirrend hektischer Gastgeber Rogereo,
knallte uns in 10 Minuten mit einer Standarte von allgemeinen und speziellen
Informationen zur Wohnung, Stadtgeschichte, Einkaufs- und Restaurantempfehlungen voll, von denen wir nur ca. 30 % verstanden.
Es muss ein spezielles parlamentinisches Englisch gewesen sein. Aber die DoRM
sah ohnehin schon eine Menge eigener Dinge vor, so das ein Nachfragen besser zu
vermeiden war, wenn man nicht der Gefahr diverser PlusProgrammpunkten
ausgesetzt werden wollte. An manchen
Stellen zahlt sich eben doch ein Jahr in den USA aus. Auch wenn es nur darum
geht, als des Englischen besser Kundige vermutet zu werden. Dann braucht es nur
noch einer Prise Kaltschnäuzigkeit um zu sagen: „Hat eigentlich nur das gesagt,
was schon in der Mappe steht! Und das ein guter Bäcker um die Ecke ist.“
Noch schnell durch das dunkle Palermo in den Supermarkt.
Naja, schnell hin und zurück, ja. Drinnen waren wir dann natürlich schon etwas
länger. So ca. 60 Minuten. Dann gab es endlich mal ein anständiges Essen:
Nudeln mit Tomatensoße. Und Käse. Lecker.
Am nächsten Morgen dann mit frischen Brötchen vom besagtem
Bäcker ordentlich gefrühstückt, dann hinein in die Stadt! Nach genau zwei Ecken
Wolkenbruch. Ach was sage ich, quasi Sintflut. Schutzsuchend fanden wir uns in
einem alten Palazzo wieder. Er beherbergte bedeutende Kunst des 12.-14.
Jahrhunderts. Niemals wären wir da ohne Sintflut hineingegangen. Ich bin ja
ausgeprägter Fatalist, darum glaube ich ja keine Sekunde daran, dass der Regen
gerade zu dieser Zeit, gerade in dieser Heftigkeit auf uns niederfiel. Wir
sollten da rein. Und es war wunderschön. Jede Menge Madonnen, aber auch einige
bezaubernde Büsten ohne biblischen Hintergrund. Wir stiefelten alle Etagen bis
unters Dach ehrfürchtig ab. Der Regen hatte schon lange aufgehört, als wir
wieder draußen in den Gassen waren.
Jetzt solle es aber ziemlich direkt zum Normannenpalast
gehen. Aber zuvor war es schon wieder Zeit, etwas zu essen. Kurzer Abstecher in
den Hafen. Der Reiseführer und auch Rogero hatten von Panne é irgendwas geschwärmt.
Ein Kreuzchen auf unserem Stadtplan führte uns direkt zu dem, der was auch
immer hinter dem é war, in der ganzen Stadt am allerbesten herstellen konnte.
Es war recht leicht zu finden, sah aber etwas seltsam aus: Brötchen und dann
hatten die Herren hinter der Theke einen großen Kessel vor sich, in dem sich
sowas wie geschnittene Nierchen stapelten. Das wurde dann mit einer Schöpfkelle
herausgehoben und im Brötchen platziert. Mehrere Schichten und dann kam die
Brötchenoberhälfte wieder drauf. Zack fertig. Schmeckte nicht schlecht und
erinnerte irgendwie an Schlachtetag. Wie sich dann herausstellte war es Milz im
Brötchen.
So, jetzt aber ohne weitere Verzögerung zum Normannendom. Hätte auch
funktioniert, wären wir nicht falsch abgebogen und mitten im Vucciriamarkt
gelandet mit jeder Menge Fischhändlern und dazugehörigen Garküchen rechts und links des Weges. Mussten wir uns
dann auch noch ein wenig durchfuttern.
Am fortgeschrittenen Nachmittag kamen
wir dann endlich am Normannenpalast an. Audioguide wollte sie uns an der Kasse
nicht geben. So fing alles an. Na, dann
eben ohne in den Palast. Am Eingang Hochsicherheitskontrolle. Der CdM muss
natürlich in Funktion als Major Reiseleiter ein Taschenmesser mitführen. Aber
nicht mit den Herren und Damen der Palastwache: "Abgeben, Froindchen!" Ok. Noch
kein Grund auszuflippen.
Ab in die heiligen Hallen der Capella Palatina, ein
wirkliches Schmuckkästchen von Schlosskapelle. Ganz und gar aus Gold und mit
Fresko-Comic und einer Decke, die wie ein Zelt aussieht. Doch kaum da: „Avanti,
avanti! Machen Sie mal hin! Wir schließen gleich!“ – Wir waren ja spät, aber so
spät ja nun auch nicht. Aha, ne Hochzeit. Mann,
Mann, bestimmt so ein Mafiabonze!
Jetzt setzte bei mir schon so eine leichte guerillamäßige Che-Guevara-
Stimmung ein. Und es brauchte nur noch eines weiteren kleinen Anstoßes von Seiten der Palastamazonen, um den El Commandante in
mir wach zu rufen. „No Foto!“ und ein „Avanti!“ später war es so weit. Sie
hatten es nichts anders gewollt! Streckte ich meinen Fuß also immer unter alle roten Absperrseile hindurch. Verboten – erlaubt – Verboten – erlaubt! Ha! Da habt ihr echt
was zu tun! Ich: Voll Che eben!
Danach erst einmal ein Bier. Durch die armen Viertel der
Stadt, die den CdM voller Dankbarkeit erfüllte, für das, wir einfach so haben.
Und Recht hat er. Auf dem Heimweg haben
wir uns dann auf einem weiteren Markt mit Tomaten und Birnen eingedeckt und
sind dann ziemlich schnell ins Bett gefallen.
Am nächsten Morgen ging es – weil
wir beim Regen ja ein Kombi-Ticket erstanden hatten- in einen echten
Stadtpalast und sahen uns an, wie man da so drin gelebt hat. Entgegen der muffelig-aggressiven gestrigen Wachen im Normannenpalast, hatten wir hier einen absolut freundlichen
Museumswärter erwischt. Er wies uns sehr nett darauf hin, dass wir das
hauseigene Puppentheater übersehen hatten und holte uns 5 Räume später hinter
die roten Absperrseile und zeigte uns eine versteckte Geheimtür. Wunderbar!
Dann ging es weiter
zur Kathedrale. Dies sieht von außen sehr schön aus, von Innen leider nicht
mehr so sehr. Eigentlich gar nicht. Blieb noch Zeit, um durch die Gassen zur
Oper zu schlendern. Hier fanden wir die größte Ansammlung jugendlicher
Grufties, die ich je gesehen hatte. Oder es ist die neue Mode unter
Jugendlichen. Die Sonne senkte sich langsam, also weiter durch die Gassen. Am
archäologischen Museum hatten wir Glück. Wollten wir nur einen kleinen Blick in
den Innenhof werfen und bekamen für die letzte Stunde vor der Schließung Freikarten
in die Hand gedrückt. Na für „na nüscht“ schauten wir uns das Ganze sehr gern
an. Es war spannend und ein kleiner Vorgriff auf das, was uns in den kommenden
Tagen an der Westküste erwartet: Tempel, Tempel, Tempel. Und alle kaputt! Wir waren mit den parlermitischen Museumswärtern ausgesöhnt.
So, an dieser Stelle muss ich unterbrechen. Wir fahren seit
30 Minuten die Serpentinen des Todes bergauf nach Erice. Mir ist schrecklich
übel. Darum später mehr.